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Gelebte Willkommenskultur - Gotha begrüßt eine Nachfahrin der jüdischen Familie Simson

Gruppenbild vor Gotha-Wappen, öffnet größere AnsichtGruppenbild vor Gotha-Wappen, öffnet größere Ansicht

Erfreulicherweise pflegt die Stadt Gotha seit vielen Jahren guten Kontakt zu Nachfahren jüdischer Familien, die durch die Verfolgung der Nationalsozialisten aus Gotha fliehen mussten und heute auf der ganzen Welt verstreut leben.

Am Nachmittag des 14. Oktober 2024 konnte Oberbürgermeister Knut Kreuch die Urenkelin von Julius und Clara Simson, Carey Philpott, und ihren Ehemann Mike im Rathaus willkommen heißen und in einem netten Gespräch mehr über die Geschichte ihrer Familie erfahren. Die beiden Besucher aus England hatten da bereits ein straffes Programm hinter sich, das die Leiterin des Stadtarchivs, Julia Beez, organisiert und begleitet hatte. Vom Vorsitzenden des Vereins für Stadtgeschichte, Matthias Wenzel, hatten sie eine Führung über den jüdischen Friedhof bekommen, auf dem sich noch heute das Grab von Careys 1936 und 1938 verstorbenen Urgroßeltern befindet. Anschließend gab es einen langen Stadtrundgang zu wichtigen Orten der jüdischen Geschichte, bei dem natürlich ein Besuch des „Porzellanschlösschens“ in der Friedrichstraße 19, dem Wohnhaus der Urgroßeltern, nicht fehlen durfte. Das inzwischen von einer Immobilienfirma als Büro genutzte Gebäude durfte dank der freundlichen Mitarbeiterinnen sogar von innen besichtigt werden. Ein Höhepunkt war die Nachstellung eines historischen Fotos aus dem Familiennachlass vor einer im Original erhaltenen markanten Wandvertäfelung. Ihren ersten Besuch in Gotha werden Carey und Mike Philpott in guter Erinnerung behalten. Überaus dankbar brachen sie einen Tag später nach Suhl auf, wo sie ebenfalls ein volles Programm auf den Spuren ihrer Familiengeschichte erwartete.

Der Name Simson ist heutzutage vor allem durch die kultigen Kleinkrafträder bekannt. Gegründet wurde die Suhler Waffen- und Fahrzeugfirma in der Mitte des 19. Jahrhunderts von den Brüdern Moses, Gerson und Hugo Simson, die bald zum größten Arbeitgeber der Stadt aufstiegen. Bald gab es auch eine Verbindung zu Gotha, denn die Gebrüder Simson kauften 1883 die hiesige Hennebergische Porzellanfabrik auf. Moses’ 1870 geborener Sohn Julius Simson stieg 1887 als Prokurist in Gotha ein und wurde später Mitinhaber. Der Hauptstandort der Porzellanfabrik befand sich in der Steinmühlenallee, zur Blütezeit beschäftigte die Familie dort 300 Mitarbeiter. Geschwächt von der Wirtschaftskrise in den 1920er Jahren wurde die Produktion jedoch bereits 1932 eingestellt. Während vom Fabrikgebäude nichts mehr übrig ist, so prägt heute immer noch das Wohnhaus der Familie Simson in der Friedrichstraße 19 an der Ecke zur Schönen Allee das Stadtbild. Im Volksmund wurde es wegen seines auffälligen Äußeren „Porzellanschlösschen“ genannt. Nachdem Julius und Clara Simson verstorben waren, floh ihre Tochter Gertrud 1938 mit ihrem Ehemann Manfred Hess vor den Nationalsozialisten nach England, ihre Geschwister Margarethe (verh. Ruppel) und Curt verschlug es in die USA. Gertrud und Manfreds inzwischen 99-jährige Tochter Ursula, die die Flucht aus Deutschland als junges Mädchen auf sich nehmen musste, lebt heute mit ihrer Tochter Carey und ihren Enkeln und Urenkeln in der Nähe von London.